Die Klimakrise schreitet immer noch fast ungebremst voran. Als Bürgerin bekomme ich den Eindruck, dass all diese Mittel Politiker:innen zwar ein bisschen nerven, aber keinen großen Einfluss auf deren Entscheidungen haben. Uns wurde zugehört und wir wurden gelobt für das Engagement. Aber gehört zu werden führt leider nicht zwangsläufig zu entsprechenden Handlungen. Andere wiederum können einen solchen Einfluss ausüben, dass politische Handlungen ihren Wünschen entsprechen. Nicht das Gesetz spricht anderen eine per se größere Macht zu, sondern ihr Vermögen tut das.
Es ist gemeinhin bekannt, dass wir uns zurzeit in einer unhaltbaren Situation befinden. Wenn jetzt, oder besser vor 10 oder 20 Jahren nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, haben wir ein gigantisches Problem. Dann brechen die klimatischen Systeme zusammen, das heißt, das Wetter wird extremer. Es gibt mehr Fluten und mehr Dürren. Im Sommer wird es heißer. Dadurch sterben schon jetzt, laut einer Studie in 12 europäischen Großstädten, jedes Jahr 1200 Menschen mehr.[1]
Meiner Auffassung nach ist ein Hitzetod in einer Stadtwohnung oder das Ertrinken in Fluten kein akzeptables Risiko. Ganz zu schweigen von dem was außerhalb Österreichs stattfindet: Menschen, die aufgrund der Hitze quasi in ihrem Schweiß zerkochen, Menschen, die ihren Lebensraum verlieren, oder der Ausfall von Ernten, die damit den Hunger von Milliarden Menschen verursacht. Ich schaffe es nicht, hier alles aufzuzählen.
Menschen in Entscheidungspositionen sollten also dafür sorgen, dass das so nicht eintritt und dass wir alle auch in Zukunft noch in Sicherheit leben können. Die Menschen, die das bei uns entscheiden können, sind Politiker:innen, die durch Wahlen demokratisch legitimiert sind.
Allen Staatsbürger:innen werden vor dem Gesetz die gleichen Rechte zugeschrieben. Sie haben das Recht ihre Meinung kundzutun und vielfältige Möglichkeiten sie zu äußern. Wir alle schätzen diese Möglichkeiten. Sehr viele Menschen nutzen sie auch. Wir gehen auf Demonstrationen, unterschreiben Petitionen, oder treten in Kontakt mit Politiker:innen. Wenn nichts hilft, dann nutzen wir die rechtlichen Mittel, die wir haben, und klagen.
In Bezug auf die Klimakrise wurden all diese Mittel doppelt und dreifach angewendet und ausgeschöpft. Die Klimakrise schreitet immer noch fast ungebremst voran. Selbstgesteckte Ziele werden nicht eingehalten. Als Bürgerin bekomme ich den Eindruck, dass all diese Mittel Politiker:innen zwar ein bisschen nerven, aber keinen großen Einfluss auf deren Entscheidungen haben. Vielleicht wurden wir gehört. Uns wurde zugehört und wir wurden gelobt für das Engagement. Sowas ist ja schließlich toll. Wir wollen aktive Bürger:innen haben. Aber gehört zu werden führt leider nicht zwangsläufig zu entsprechenden Handlungen.
Andere wiederum können einen solchen Einfluss ausüben, dass politische Handlungen ihren Wünschen entsprechen. Das sind zum Großteil Menschen mit viel Geld, die genau dieses Geld dadurch bekommen und beschützen, dass die Welt weiter zugrunde gerichtet wird.
Würde es stumpf nach Mehrheiten gehen, so hätten wir ausreichenden Klima-, bzw. Überlebensschutz.[2] Aber den haben wir nicht. Haben diese anderen Menschen, die ihre Meinung durchsetzen können, also mehr Rechte? Nein, aber ja. Anders lässt sich das nicht erklären. Nicht das Gesetz spricht anderen eine per se größere Macht zu, sondern ihr Vermögen tut das. Und leider wird genau das mehr in einer Welt, die nicht geschont wird, um der Menschheit noch länger in der Form zur Verfügung zu stehen.
Die demokratischen Institutionen versagen hier also. Wie lässt es sich sonst erklären, dass eine Mehrheit prinzipiell Klimaschutz will, aber wir ihn weiterhin nicht haben. Zeichnet sich eine Demokratie nicht dadurch aus, dass der Wille des Volkes maßgeblich ist. Also müsste das doch auch hier so sein.
Was ist dann zu tun? Meinem Empfinden nach ist es nicht sinnvoll, mehr Energie in weitgehend wirkungslose Mittel zu stecken. Es muss anscheinend ein Druck aufgebaut werden, der über den bloßen Willen hinausgeht. Mit friedlichem zivilem Ungehorsam haben Menschen der Letzten Generation also einen Schritt raus aus diesem System der Wirkungslosigkeit gesetzt. Statt mit den vorhergesehenen Mitteln von Protest zu arbeiten, orientieren sich solche Bewegungen an den vorangegangenen Bewegungen zivilen Ungehorsams. Wir haben dabei große Vorbilder im Kopf. Das können Martin Luther King, oder Mahatma Gandhi sein. In meinem Kopf denke ich da an Otpor, eine serbische Bewegung, die es geschafft hat, den dortigen Diktator zu stürzen.
Diese Beispiele teilen sich aus heutiger Perspektive eine Gemeinsamkeit. All das waren Proteste für Rechte, für Demokratie und Gerechtigkeit. Das System war ungerecht, also war Protest notwendig und legitim. So konnte ein gerechterer und demokratischerer Zustand erreicht werden. In den mittelständischen europäischen Kreisen, in denen ich mich bewege, wird das bewundert und hoch angesehen. Denn gegen offensichtliches Unrecht muss schließlich aufbegehrt werden. Dass all diese Ungerechtigkeiten damals sehr wohl dem Gesetz entsprachen, wird dabei gerne außer Acht gelassen.
Heute nutzen auch wir das Mittel des Regelbruchs, um Druck auf Politiker:innen auszuüben. Dabei sind Protestierende sich bewusst, dass das starke Gegenreaktionen auslösen wird. Protestierende sind sich im Klaren darüber, dass dieser Regelbruch mit Konsequenzen einhergeht. Das wird in Kauf genommen. Bevor ich das erste Mal eine Straße blockierte, war mir also bewusst, dass ich dafür „bestraft“ werden würde. Es ist Ausdruck der Anerkennung des Rechtsstaats, dass diese Konsequenzen akzeptiert werden.
Nichtsdestotrotz ist die staatliche Reaktion auf Protest im Rahmen der Klimakatastrophe besorgniserregend. Protestierende haben Formen des zivilen Ungehorsams als Mittel gewählt, um die Einhaltung geltender Verträge, wie dem Pariser Abkommen zu fordern. Begegnet wurde ihnen mit weitreichender Kriminalisierung. Neben den zu erwartenden Konsequenzen für das Blockieren einer Straße wird in die absurdesten Trickkisten des Rechts gegriffen. Darunter befinden sich Freiheitsstrafen, ausgesprochen von der Polizei, Ermittlungen mit dem Verdacht, eine kriminelle Vereinigung zu sein, sowie andere kuriose Vorwürfe. Protestierende gehen nun also für die erhaltenen Strafen in Haft und leben mit weitreichenden Einschränkungen. Der staatliche Wille das Recht zu brechen geht offensichtlich soweit, dass sie die wegsperren, die das nicht hinnehmen wollen.
Hinzu kommt der weitreichende Glaube an die schon gegebenen Möglichkeiten des Ausdrucks von Meinung. Von staatlicher, genauso wie von ziviler Seite wurde immer wieder auf die legalen Möglichkeiten der Meinungsäußerung verwiesen. In meinem Engagement haben sich genau diese Möglichkeiten des Ausdrucks aber häufig eher nach einem goldenen Käfig angefühlt. Wenn wir sauer wurden, wurde uns doch gesagt, warum wir nicht dies oder jenes tun. Warum machen wir keine Petition? Warum demonstrieren wir denn nicht? Aber generell ist das ja ganz großartig, dass ich mich so für die Umwelt einsetze. Ganz toll ist das, wenn sich junge Menschen so engagieren. Diese legalen Möglichkeiten des Protests schienen jede nicht legale Form auszuschließen. Aber was wäre dann angebracht, wenn schon alles ausgeschöpft ist? Egal was geschah, oder getan wurde, Maßnahmen, die dem Umfang der Klimakatastrophe angemessen wären, wurden nicht ergriffen.
Mit diesen Erfahrungen gelange ich an den Punkt, wo ich an der Verfasstheit dieses demokratischen Systems immer mehr zweifle. Dieses Ungleichgewicht an Macht entlang der finanziellen Ressourcen ist kein neues Phänomen. Das ist schon immer und auch in anderen Systemen bestimmt so gewesen. Aber darf sich eine politische Organisationsform demokratisch nennen, wenn sie nicht allen Menschen die gleichen Möglichkeiten gewährleistet? In Bezug auf Entscheidungen bei der Klimapolitik ist es offensichtlich, dass es hier gravierende Mängel gibt.
Wäre die Klimapolitik also der Maßstab, so würde ich dem Zustand der Demokratie in Österreich und der EU eine glatte 5 geben. Durchgefallen. Die Frage ist, lässt sich dieses Urteil irgendwie durch andere Aspekte wieder wett machen? Ich kann mir gerade nicht vorstellen, wie, aber ich freue mich über jede positive Anregung.
[1] Clarke, B., et al. (2025). Climate change tripled heat-related deaths in early summer European heatwave. Grantham Institute report.
[2] https://www.derstandard.de/story/3000000283015/vergessene-mehrheit-fast-alle-milieus-in-oesterreich-wollen-klimaschutz
Afra Porsche engagierte sich mit Protesten des friedlichen zivilen Ungehorsams gemeinsam mit der Letzten Generation für Klimagerechtigkeit. Sie studierte Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien. Porsche beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Demokratie, sozialer Gerechtigkeit und Klima.
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