Die Illusion, die Demokratie sei in modernen Gesellschaften mit hohem Entwicklungsgrad ein unabänderliches Prinzip, macht unvorsichtig gegenüber undemokratischen Angriffen, Manipulationen und Zerstörungsversuchen. Populismus wird dabei allzu oft als eine neue Form von demokratischem Stil missverstanden.
Hollywood lebt von der Darstellung großer Held*innen. Figuren, die von einem anderen Planeten kommen (Supergirl) oder aufgrund von besonderen Eigenschaften und außergewöhnlichen Kenntnissen (Neo, Batman, The Fantastic Four) die Welt retten, existieren im Kino in den verschiedensten Varianten. Während diese Helden im Film aktuell etwas sensibler und zerbrechlicher gezeigt werden (Spiderman), findet politisch die gegenteilige Entwicklung statt.
Politiker (hauptsächlich Männer) stilisieren sich immer häufiger als makellose Superhelden, finden große Worte in noch größeren Inszenierungen und behaupten, für alles eine Lösung zu haben. Sie spielen mit popkulturellen Stereotypen und profitieren von den Projektionen in sie. Zusätzlich sorgen Provokationen für ständige Medienpräsenz. Kein Halbtag ohne Trump-Meldung.
Damit wird nicht nur selbst profitiert, sondern jenen die Aufmerksamkeit genommen, die einen anderen demokratischen Stil pflegen. Hier dreht sich die Spirale: weniger Aufmerksamkeit für den liberalen demokratischen Weg und mehr Platz für propagandamäßige Wiederholungen, ungeprüfte Fakten, Beschimpfungen und Auftritte in Popstarmanier (Schiller 2022, 23), bis das Publikum daran gewöhnt ist und sich nicht mehr wundert.
Dahinter steckt ein aufwändiges System an Kommunikationstechnik, digitaler Professionalisierung der Aufmerksamkeitsökonomie und viel Inszenierungskunst. So ist Populismus zum Alltagsphänomen geworden, zum schwer fassbaren Zeitgeist von sich stark wandelnden Demokratien, die immer häufiger autokratische Züge annehmen.
Das schwedische Forschungsinstitut V-Dem, das jährlich den Democracy Report herausgibt, zeigt das in Zahlen. Lebten im Jahr 2004 49 Prozent der Menschheit in autokratischen Systemen, waren es 2024 bereits 72 Prozent, Tendenz steigend[1]. Der Populismus spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Die Politikwissenschaftler Heinisch und Wegscheider unterscheiden drei Formen des Populismus, die meist parallel zueinander auftreten: Das ist einerseits der populistische Stil in Sprache und Symbolen, andererseits eine Mobilisierungsstrategie gegenüber der Bevölkerung und schließlich eine Form der Ideologie, etwa die Hochstilisierung des Volkes als abstrakte Einheit (2020, 109). Populismus beschränkt sich dabei auf keine politische bzw. ideologische Richtung, obwohl er im rechten Spektrum besonders gut zu funktionieren scheint.
Tatsächlich handelt es sich beim Populismus vor allem um ein Kommunikationsphänomen, in dessen Zentrum „wir gegen die anderen“ oder vielmehr „ich für euch gegen die anderen“ – jeweils oft variiert als „gegen die da oben“ – steht. Jenen anderen kann jegliche Schuld an was auch immer zugeschoben und Boshaftigkeit unterstellt werden. Das gilt für so genannte „Eliten“ genauso wie für Menschen anderer Herkunft, Hautfarbe, Religion usw.
Im Zentrum steht eine vage, aber allgegenwärtige Aufteilung in Volk und Elite. Dazu wird weder das Volk genau beschrieben noch die Elite. Schwammige Begriffe wie „die Politik“, „die Medien“, „die Ausländer“, „die Islamisten“ tun ihren Zweck, um in ständiger Wiederholung zu behaupten, dass die Bevölkerung betrogen, verraten und bedroht wird.
Das Volk wiederum wird ebenso abstrakt als homogen, unschuldig und mit untadeliger Moral imaginiert und kategorisiert (Schiller 2022, 26). Bei Trump heißt es „make America great again“. Gemeint ist die „passende“ Nationalität, Ethnie, Kultur, Lebensweise usw. Das unterscheidet sich je nach Ideologie, immer jedoch gilt im Populismus ein Volkssouveränitätsprinzip mit dazugehörigem Überlegenheitsanspruch (Diehl 2024), dass das Volk und sein Recht, im Recht zu sein, in den Vordergrund stellt. Indem andere herabgewürdigt werden, wird das Volk emporgehoben, dem auch die Bürger*innen- und Menschenrechte vorbehalten bleiben sollen.
Genauso wird fälschlich so getan, als würde es einen einhelligen Volkswillen oder zumindest eine klare Mehrheitsmeinung des Volkes geben. Völlig ausgeblendet wird, dass es in Wahrheit zu fast jedem Thema nicht nur keine Einheitsmeinung, sondern auch nicht bloß zwei Meinungen gibt. Vielmehr besteht stets eine Vielfalt unterschiedlichster Ansichten, und existiert als vielleicht sogar schweigende Mehrheit eine große Gruppe von Bürger*innen ohne klare Meinung. Populismus zielt auch darauf ab, diese Menschen zu vereinnahmen.
Im Zuge dessen werden Zweifel und Kritik an den staatlichen Institutionen befeuert, um diese auf Dauer zu schwächen und ihre Umgestaltung leichter umsetzen zu können; alles stets im Namen des Volkes. Populist*innen verstehen es, einfache Lösungen als Wundertaten zu bewerben und den Eindruck zu erwecken, mit dem Volk und für das Volk zu sprechen sowie selbst Teil des Volkes zu sein.
Die Absurdität, dass diese Politiker*innen weit häufiger Teil der Elite sind, spielt ebenso wenig eine Rolle wie der Umstand, dass politische Pläne selten näher erklärt werden. Es reicht zuweilen, von jener „schweigenden Mehrheit“ zu sprechen, die schon lange viel zu viel erdulde, stimmlos und ungehört sei. Das müssen keine Modernisierungsverlierer*innen sein, doch es sind häufig Menschen, die das Gefühl haben, immer nur gegeben zu haben und jetzt überholt zu werden, weil das System sie bevorzuge (Wojczewski 2020, 6).
Populistische Parteien nützen eine Leerstelle in der Kommunikation zwischen Bürger*innen und Parteien bzw. Regierung. Diel spricht von Populismus als einer „Brücke“ zwischen Bevölkerung und den z.B. rechtsextremen Ideen (Diehl 2024). Der Populismus macht neugierig auf die Ideen, vereinfacht die Botschaften und verbirgt sie hinter einer Sprache, die für viele annehmbar ist, sodass radikale Inhalte nicht als solche wahrgenommen und zum Mainstream werden können.
Dementsprechend gelten Populist*innen als „politisch flexibel, ambivalent und opportunistisch“ (Heinisch/Wegscheider 2020, 113). Doch wer sind jene Menschen, die für Populismus empfänglich sind? Die einfache Antwort: alle.
Je nach Umstand, populistischer Technik, Thema können die verschiedensten Personengruppen angesprochen werden. Die Vorstellung, dass dies Ausgeschlossene, wenig Gebildete und vor allem Männer sind, trifft nicht mehr ins Schwarze. Allerdings ist es hilfreich, wenn eine Grundunzufriedenheit, eine Art von Ärger, Enttäuschung oder (Zukunfts-)Ängsten vorhanden sind und das Vertrauen in die Demokratie eher gering ist.
Nach dem Motto: Früher war alles besser, vertrauter, man sei leichter zurechtgekommen, und es schien alles voller Hoffnung. Der Populismus liebt das Vorgaukeln dieser Nostalgie. Dass sich im Internet rückwärtsgewandte Strömungen entwickeln, in denen v.a. junge Menschen die Vergangenheit beschwören, ist klassisch für den Populismus: Gezeigt wird die Oberfläche, das vertraute Familienleben von früher, eine heile Welt voller schöner Kleider, Kuchen und fixierte, daher sicher wirkende (Geschlechter-)Rollen. Das findet in Zusammenhang mit einer „Moralisierung der Politik“ (Schlag 2022, 75) statt, gegen alles Liberale, Offene (Lietzmann 2021). Nicht gezeigt werden die Probleme von damals.
Ein wenig anders ist dies bei Populismus, der radikalisieren will, gleichgültig, ob rechtsextremistisch oder religiöse Radikalisierung. Dort sind Verletzung und Scham die Emotionen, die bedient werden, nicht zuletzt als eine Art „emotionale Katharsis“. (Groß/Neckel 2021, 4).
Es ist für jeden etwas dabei. Populistische Parteien und Vereine haben längst internationale Netze an Influencer*innen und eigenen Medien aufgebaut, damit ihr Publikum nie in Gefahr gerät, aus der Bubble auszusteigen. Dies garantiert, dass keine anderen Nachrichten ins Bewusstsein dringen. Jugendliche sind aufgrund des hohen Konsums von Social Media besonders gefährdet, auf Populismus hereinzufallen und sich zu radikalisieren.
Die ständige Beschallung mit Gewalt führt auf Dauer zu einer Empathieunfähigkeit (Naab 2025, 29). Mit dem zunehmenden Einsatz von Populismus und der Verstärkung desselben durch extremistische Ideen ändert sich jedoch auch die Stimmung in der Bevölkerung. Einst rechtsextreme Begriffe (z.B. „Asylant“) werden Teil des allgemeinen Wortschatzes und mit den Begriffen verändern sich auch die Einstellungen. Emotionen werden bewusst hervorgerufen, bis hin zur Wut, weil diese für Populist*innen ein verlässlicher Partner ist. Somit steigt letztlich auch die Gewaltbereitschaft (Groß/Neckel 2021, 5; Kaltenbrunner/Neuhold 2025: 12 f.).
Online funktioniert dies noch besser und schneller. Die Anonymität hilft dabei ebenso mit wie die Möglichkeit, Personen direkt anzuwerben und ihnen das Gefühl zu vermitteln, Teil von etwas Größerem zu sein. Mit anderen Worten: Es gibt nicht zwangsläufig mehr Populist*innen als früher, doch sie sind in der virtuellen Welt besser vernetzt als an einzelnen Stammtischen & Co. Daher sehen sie sich als „groß“.
Figuren wie Andrew Tate, auch ein Möchtegern-Held, der trotz Anklagen wegen Vergewaltigung, Menschen- und Waffenhandel eine große Zukunft an seiner Seite bewirbt und nebenbei seinen Einstieg in die Politik vorbereitet[2], wirken wie ein Heilmittel gegen eine ungewisse Zukunft. Religiös-radikale Populist*innen arbeiten mit denselben Mitteln. Feindschaft gegen andere wird getauscht gegen Gruppenzugehörigkeit (Öztürk/Pickel 2024, 205). Das geht im (partei-)politischen Populismus ebenso wie im religiös-radikalisierten auf. In beiden Fällen dauert es nur wenige Wochen bis zur Radikalisierung der Zielpersonen (Kaltenbrunner/Neuhold 2025, 22 f.). Das Problem dabei: Was sagbar wird, wird irgendwann umgesetzt. Zuweilen bedingen sich verschiedene populistische Strömungen somit gegenseitig.
Ähnliches gilt für Verschwörungslegenden. Sie helfen dort aus, wo der Populismus ein Überzeugungsnarrativ braucht, das Emotionen fördert, eine Realität konstruiert, die zu den eigenen Zielen passt und gleichzeitig vage bleibt (Kumkar 2024, 122; Schlag 2022, 75). Populist*innen bedienen sich der Verschwörungserzählung aber auch, um Gruppen zu erreichen, die ansonsten für politische Zwecke kaum ansprechbar sind (u.a. Kumkar 2024, 132). US-Präsident Donald Trump etwa hat QAnon nie widersprochen, sondern nützt das Narrativ, das ihn auch als Helden verehrt, für seine Zwecke.
Populist*innen greifen immer auch das demokratische System an. Die Methode dahinter ist klar. Wie sie umgesetzt werden kann, hat als Regierungschef Viktor Orbán in Ungarn vorgemacht. Die schrittweise Demontage der Demokratie war nur mit populistischer Kommunikation möglich, um den Bürger*innen einzureden, dass die alten demokratischen Institutionen nicht mehr funktionsfähig gewesen seien und somit auch unbeliebte Schritte gesetzt werden konnten. Dies mit dem Argument, das sei nun notwendig. Bloß dass es kein Zurück gibt und auch nie eines geplant war.
Die Zivilgesellschaft wird immer wieder als potenzielle Retterin der liberalen Demokratie betrachtet, gerade auch im Kampf gegen Populismus. Dabei wird vergessen, dass die Zivilgesellschaft die Bürger*innen sind, und somit aus jenen besteht, die diesen Populismus zum Teil annehmen, fördern, gutheißen.
Während sich Gesellschaften heute ihrer eigenen demokratischen Rechte viel bewusster sind als früher – das ist positiv, würde allerdings voraussetzen, sich der demokratischen Verantwortung bewusst zu sein –, wird es zugleich immer klarer, dass demokratische Regierungen nie alle Bürger*innen zufriedenstellen können. Die perfekte Demokratie kann es nicht geben. Während dies als Chance zur Arbeit an der Demokratie gesehen werden kann, werden Demokratien häufig als Selbstbedienungsladen für die eigenen Rechte missverstanden gestalten. Nach ihnen halten Populist*innen mit viel Symbolpolitik Ausschau.
Das Rezept dagegen? Als Langzeitlösung bleibt nur eine Vervielfachung sowohl der politischen Bildungsarbeit als auch der Medienbildung. Und: Hinhören, miteinander reden, lernen, was Kompromisse bedeuten, politische Bildung und auch ein wenig Glück, denn selbst wenn es gelingt, populistische Regierungen abzulösen, wird es nicht einfacher, da in den meisten Fällen die staatlichen Institutionen vom Populismus schwer beschädigt sind. Daraus ergibt sich eine schwierige Aufgabe für nachfolgende Politiker*innen und Parteien. Es bedeutet aber auch, die Bevölkerung zu involvieren, denn Populismus kann nur durch eine Re-Politisierung der Politik bekämpft werden (Mudde 2021).
Literatur
Diehl, Paula (2024): Rechtspopulismus und Demokratie. in: Aus Politik und Zeitgeschichte. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/demokratie-in-gefahr-2024/549907/rechtspopulismus-und-demokratie.
Groß, Eva/Neckel, Sighard (2021): Social Media und die Bedeutung von Emotionen in autoritärnationalistischen Radikalisierungsnarrativen. in: B. Blättel-Mink (Hg.): Gesellschaft unter Spannung: Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020. Deutsche Gesellschaft für Soziologie. https://doi.org/10.21241/ssoar.99499.
Heinisch, Reinhard/Wegscheider, Carsten (2020): Zum Verhältnis des Populismus zur liberalen Demokratie. https://www.vr-elibrary.de/doi/10.7767/9783205233008.43.
Kumkar, Nils (2024): Das Böse dahinter: Verschwörungstheorie, Populismus und die Kommunikation affektiver Polarisierung. in: Zeitschrift für Theoretische Soziologie 1/2024. https://www.beltz.de/fachmedien/soziologie/zeitschriften/zeitschrift_fuer_theoretische_soziologie/artikel/53877-das-boese-dahinter-verschwoerungstheorie-populismus-und-die-kommunikation-affektiver-polarisierung.html.
Lietzmann, Hans. J.(2021): „Postfaktischer Populismus“. Das politische Narrativ der Mehrheitsgesellschaft. https://doi.org/10.1515/9783110693065-006.
Mudde Cas (2021): Populism in Europe: An Illiberal Democratic Response to Undemocratic Liberalism (The Government and Opposition/Leonard Schapiro Lecture 2019). in: Government and Opposition. 56(4), p. 577–597. doi:10.1017/gov.2021.15.
Naab, Thorsten (2025): Forschungsperspektiven zu Mediennutzung, Medienbildung und Herausforderungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. München: Deutsches Jugendinstitut e.V. DOI: 10.25656/01:32502; 10.36189/DJI20257.
Öztürk, Cemal/Pickel, Susanne (2024): Die Gefahr der Co-Radikalisierung: Wie sich Muslimfeindlichkeit und Islamismus in Deutschland wechselseitig verstärken. in: Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik 8/2024. https://doi.org/10.1007/s41682-024-00183-6.
Schiller, Melanie (2022): Pop, Politik und Populismus als Massenkultur. in: Flath, B. et al.: DRUCKWELLEN. Eskalationskulturen und Kultureskalationen in Pop, Gesellschaft und Politik. Bielefeld: transkript Verlag, S. 21–36.
Schlag, Thomas (2022): Demokratie/Populismus. in: Simojoki, H./Rothgangel, M./Körtner, U.H. J.: Ethische Kernthemen: Lebensweltlich – theologisch-ethisch – didaktisch. Göttingen: Vandenhoeck Ruprecht, S. 74–84. doi.org/10.5167/uzh-214137.
Wojczewski/ Thorsten (2020): ‘Enemies of the people’: Populism and the politics of (in)security. in: European Journal of International Security (2020), 5, 5–24. doi:10.1017/eis.2019.23.
[1] https://www.v-dem.net/publications/democracy-reports/
[2] https://www.theguardian.com/society/2025/feb/02/shocking-finding-gen-z-democracy-isnt-perfect
Peter Filzmaier ist Universitätsprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Graz und der Universität für Weiterbildung Krems. Zudem ist er zudem geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Strategieanalysen (ISA). Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte umfassen öffentliche Kommunikation, Politik-, Medien- und Wahlanalysen, Demokratiezufriedenheit sowie internationale Politik mit dem Fokus USA.
Daniela Ingruber pendelt zwischen Wissenschaft, Evaluationen, Journalismus und Geschichtensammeln. Sie arbeitet als Demokratie- und Kriegsforscherin am Institut für Strategieanalysen. Zudem berät sie Filmprojekte sowie Filmfestivals. Aktuelle Forschungsthemen sind: Demokratieverständnis, Dystopische Demokratie, Politische Bildung, Fake News, ethischer Journalismus, Konflikttransformation.
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