Das Feedback aller Beteiligten: Eine spannende Diskussion, bei der natürlich um Stimmen gebuhlt, nicht aber verbal gegeneinander gekämpft wurde, wie sonst so häufig im Wahlkampf. So gelingt eine Diskussion im Kleinen und wahrscheinlich auch Demokratie im Allgemeinen einfach besser!
Vor Wahlen organisiert youngCaritas seit einigen Jahren spannende Podiumsdiskussionen für Jung- und Erstwähler*innen. So zum Beispiel auch zur Nationalratswahl 2024. Die etwas anderen, spannenden und lustigen Podiumsdiskussionen finden in der actionFabrik, einem Gürtelbogen in Wien statt.
Ein Raum, bis auf den letzten Platz besetzt mit interessierten Jung- und Erstwähler*innen, lockere Stimmung. Die Moderatorin Nina Horaczek wird noch verkabelt, die Politiker*innen nehmen Platz. Es kann losgehen! Wie die Diskussion ablaufen wird, damit haben Jasmina Malkoc (SPÖ), Niko Marchetti (ÖVP), Sophie Wotschke (NEOS) und Markus Koza (Grüne) wahrscheinlich nicht gerechnet. Zum Einstieg ein kurzer Wordrap, so weit so gewöhnlich. In diesem Fall allerdings ungewöhnlich, zum Claim einer anderen Partei. Niko Marchetti assoziiert zu „Klima oder Krise“ von den Grünen, Markus Koza zu „Mit Herz und Hirn“, dem Claim der SPÖ. Es wird schon lustig, manche Diskussionteilnehmer*in versucht freundlich zu interpretieren, andere probieren sich darum, ihre eigenen Positionen und Themen rund um den Claim der anderen zu drapieren. Was mal besser, mal schlechter gelingt, jedenfalls aber daran hindert, die üblichen Stehsätze von sich zu geben.
Es geht flott weiter. Zwei Schüler*innen werden mit Hupen ausgestattet, bevor die Moderatorin Fragen stellt, zu Themen, die junge Menschen am meisten interessieren. Klima, Wohnen, Bildung - ganz gewöhnliche Fragen, wie sie in jedem Interview, bei jeder Podiumsdiskussion gestellt werden. ABER wir spielen Tabu. Die Politiker*innen dürfen bei ihren Antworten zu den Themen Klimakrise, Bildung und Wohnen einige Wörter nicht verwenden. Und zwar die Wörter, die in ihren jeweils eigenen Parteiprogrammen zu den genannten Themen am häufigsten vorkommen. Sie akzeptieren die Challenge und versuchen kreativ die Tabu-Wörter zu umschiffen. Rutscht doch eines dazwischen, weil gewohnte Stehsätze oder Positionen artikuliert werden, ertönt eine Hupe, die Wortmeldung endet abrupt und der/die nächste ist an der Reihe. Es wird geflucht, gelacht, manche*r ärgert sich, dass es nicht gelingt, die Frage gut zu beantworten und die eigene Position gut zu platzieren.
Durch die Aufgaben gut aufgewärmt und auch aufgelockert erscheinen die Politiker*innen offener und empfänglicher für Fragen aus dem Publikum. Dafür gibt es auch ausreichend Zeit und Gelegenheit und das Publikum ist gut vorbereitet. Sie wollen jene Themen, die für sie wahlentscheidend sind, direkt mit den Politiker*innen besprechen. Wie sie es ohne ihre Familie (die mit ihr gebrochen hat) schaffen soll, ein Studium zu absolvieren, sich selbst zu erhalten, zu wohnen und zu essen, fragte zum Beispiel eine junge Diskussionsteilnehmerin. Ausnahmelos alle Podiumskandidaten antworten ihr auf Augenhöhe – erzählen zum Beispiel von ihrer eigenen Migrationsbiografie, vom Aufwachsen als Arbeiterkind, erzählen, wie sie dahin gekommen sind, wo sie jetzt sind – machen der jungen Frau Mut, bieten Hilfe an.
Nachdem viele, viele Fragen beantwortet und diskutiert sind, wird (digital) gewählt, das Ergebnis der Wahl wird sogleich präsentiert. Überraschend: auch die FPÖ sahnt einige Prozente ab, obwohl sie die Einladungen zum direkten Gespräch mit jungen Menschen seit Jahren ignoriert.
Intensive Diskussionen und Gespräche gibt es auch beim gemütlichen Ausklang und Get together im Anschluss. Das Feedback aller Beteiligten: Eine spannende Diskussion, bei der natürlich um Stimmen gebuhlt, nicht aber verbal gegeneinander gekämpft wurde, wie sonst so häufig im Wahlkampf. So gelingt eine Diskussion im Kleinen und wahrscheinlich auch Demokratie im Allgemeinen einfach besser!
Alice Uhl leitet die youngCaritas Wien.
Kategorien
Nächster Beitrag: